Chitin 14

Vierzehn

Und wieder bekamen die Gestrandeten nichts mehr zu essen und zu trinken. Wieso taten die Ameisen das? Wieso gaben sie ihnen Hoffnung und ließen sie dann tagelang dursten? Gianna versuchte krampfhaft, sich zu erinnern: Dieser verrückte Planet beschrieb irgendeine verrückte Bahn um seine zwei verrückten Sonnen. Das machte die Tage … nein, das machte den Jahresablauf sehr seltsam. Die Tage, also die Perioden, an denen die helle Sonne über dem Horizont stand, waren zurzeit etwa acht Stunden lang. Etwa drei Stunden davon standen beide Sonnen am Himmel, aber man konnte den roten Riesen nicht sehen, weil er vom weißen Zwerg überstrahlt wurde. Sechs Stunden lang beherrschte der rote Riese den Himmel, und hätte bestimmt einen fantastisch spektakulären Anblick abgegeben. Allerdings stiegen immer, sobald die weiße Sonne verschwand, diese seltsamen Vögel auf und bildeten eine undurchdringliche Decke am Himmel. Dadurch waren die Nächte wirklich pechschwarz. Nie hatten zwei Ameisen einander im Sternenlicht ewige Liebe geschworen, und auch die Menschen würden es auf dieser Welt nie tun können. Man sah hier niemals die Sterne. Chitin 14 weiterlesen

Chitin 13

Dreizehn

Die Rettungsmission war zu einer fürchterlichen Pleite geworden. Ivan steuerte das Boot kurz nach der Dämmerungszone auf den Zielkurs des ersten Shuttles. Die Nachtvögel, die den Boden vor den Blicken verbargen, gingen nieder, sobald die weiße Sonne über den Horizont stieg. Augenblicklich wurde die Sicht in der trockenen Atmosphäre von New Hope kristallklar, und die öde Wüstenlandschaft breitete sich unter ihnen aus. Dürre, kakteenähnliche Vegetation gab es nur in einem vielleicht zwei Kilometer breiten Streifen entlang eines Flusses, der träge zum einzigen Meer in der Äquatorialzone des Planeten mäanderte. Chitin 13 weiterlesen

Chitin 12

Zwölf

Das Volk wartete ungeduldig. Zwei volle Thet-Perioden waren nun vergangen, ohne dass die Monster wieder diese besonderen Wellen abgestrahlt hätten, nach denen der ganze Bau so sehr verlangte. Zwar nahm das Lochwesen den Stab des Anderen manchmal in seine Kopföffnung, aber es kam nicht zu diesen rhythmischen Bewegungen. Möglicherweisen verstanden die Wesen einfach nicht, was das Volk von ihnen erwartete. Sie verloren ihre Aktivität, und ihre Oberflächen wurden wieder matt und eingesunken. Es war offensichtlich, dass ihnen das Wasser fehlte. Wenn nur irgendeine Kommunikation möglich gewesen wäre! Aber die Ungeheuer reagierten kaum auf Gesten und Pheromone, und überhaupt nicht auf die Kollektivprojektion. Sie wirkten wie niedere Lebewesen, die sich rein instinktgetrieben verhielten. Die Frage, wie derart lebensuntüchtige Geschöpfe überhaupt existieren konnten, blieb weiterhin unbeantwortet. Man müsste sie in ihrem natürlichen Umfeld studieren. Aber wie mochte das aussehen? Und wo mochte das sein? Ihr fliegender Bau war ja leider zerstört. Chitin 12 weiterlesen

Chitin 11

Elf

Leena schwebte nackt nahe der geometrischen Mitte der Kommandozentrale. Ivan hatte sie mit drei Leinen am Halsband so aufgehängt, dass sie keine der Wände erreichen konnte. Die Ereignisse auf New Hope hatten ihn so schockiert, dass er sich in seine Kabine zurückgezogen hatte. Der Himmel mochte wissen, was er dort tat. Leena hatte Durst und gleichzeitig hatte sie das Gefühl, ihre Blase müsse bald platzen. Sie wagte nicht, einfach loszupinkeln, denn sie wusste, dass ihr Urin dann in feinsten Tröpfchen durch den Kommandoraum schweben, und ihr früher oder später auch in die Lungen dringen würde. In der Schwerelosigkeit musste man die Sogtoilette oder Katheter benutzen, das hatte man ihnen im Training deutlich genug eingebläut. Chitin 11 weiterlesen

Chitin 10

Zehn

Das Tageslicht kam mit der inzwischen gewohnten Plötzlichkeit. Wie ein Vorhang riss der Himmel auf und die grelle weiße Sonne stand über dem Horizont. Sie hatten dieses Phänomen einige Umkreisungen lang aus dem Orbit beobachtet: Eine riesige Schar fledermausartiger Wesen bedeckte den Nachthimmel und absorbierte das wenige Licht und die spärliche Wärme, die vom roten Zwerg ausgingen. Ebenso schnell, wie sie auftauchten, verschwanden sie in der Morgendämmerung wieder. Ein weiteres bizarres Phänomen dieser Welt, das vor allem Leena, die Xenobiologin vor der Landung hatte erkunden wollen. Doch weil sie nur eine Kajira war, hatte niemand auf sie gehört. Chitin 10 weiterlesen

Chitin 09

Neun

Umsatz war der Schlüssel! Die Monster hatten nicht nur einen hohen Wasserumsatz, sondern auch einen extrem hyperaktiven Stoffwechsel. Das erklärte die unglaubliche Wärme. Es konnte nichts anderes sein, als Stoffwechselabwärme, das war es! Und diese Wärme ermöglichte es den Monstern auch, bei Thet derart aktiv zu sein, während die Glieder des Volkes sich nur langsam und mühsam bewegen konnten. Die Biologin empfand so etwas wie Glück, als plötzlich diese Zusammenhänge klar wurden. Chitin 09 weiterlesen

Chitin 08

Acht

Durst. Das war alles, was Gianna noch denken konnte. Und Nardo schien es nicht besser zu gehen. Bald dachte sie nicht einmal mehr an das. Nur noch, dass sie jetzt bald sterben würden. Heute noch, oder vielleicht morgen. Sie war nicht einmal traurig über ihr nahes Ende. Aber sie trauerte um den verlorenen Traum. Die neue Heimat. Die Hoffnungen der Erde. Die längste Reise, die je jemand unternommen hatte. Chitin 08 weiterlesen

Chitin 07

Sieben

Die Biologin dachte die ganze Thet-Periode lang nach, wie sie die Monster noch etwas länger am Leben halten könnte. Wieso wurden sie so schnell schwächer? Wenn der Bau eines Volkes zerstört wurde, oder wenn die Königin starb, dann wurden die Glieder apathisch und passiv, ja. Aber diese hier waren doch am Anfang recht munter gewesen. Erst jetzt wurden sie immer schwächer. Ihre vorher prall elastische Oberfläche wirkte seltsam matt, schlaff und eingesunken. Chitin 07 weiterlesen

Chitin 06

Sechs

Giannas Durst verdrängte beinah sogar die schreckliche Erinnerung an die Ermordung von Rob. Die Ungeheuer, die auf den ersten Blick fast wie riesige Ameisen aussahen, hatten ihn gepackt, von ihr und Nardo weg gezerrt, und bei lebendigem Leib grausam zerfleischt. Seine schrecklichen Schreie hallten ihr noch lange in den Ohren, und sie musste würgen und hätte erbrochen, wenn ihr Magen nicht so leer gewesen wäre, als sie das viele Blut und das zerfetzte Fleisch sah, das einmal Rob gewesen war. Chitin 06 weiterlesen

Chitin 05

Fünf

Das Stabwesen schien einen überraschend hohen Selbsterhaltungstrieb zu haben. Obwohl es von seinem Volk getrennt und obwohl sein Bau zerstört war, kämpfte es mit aller Macht gegen die Mandibel, die es festhielten. Noch eine Seltsamkeit dieser weichen Ungeheuer. Ein Glied eines vernunftbegabten Volkes würde sich in sein Schicksal ergeben. Kein Glied war so wichtig, dass es sich dafür zu kämpfen lohnte. Nur für das Volk musste man kämpfen! Chitin 05 weiterlesen

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