Chitin 02

Zwei

Gianna war todmüde. Zwar hielt das Entsetzen sie noch wach, doch stehen konnte sie nicht mehr. Eng zusammengerollt lag sie auf dem staubigen Boden und versuchte, die Monster zu vergessen, die sich um sie und ihre beiden Mitgefangenen herum aufgebaut hatten. Die Männer hatten sich rechts und links von ihr niedergelegt, und Rob begann unglaublicherweise, auch bald zu schnarchen. Nardo, der hinter ihrem Rücken lag, streichelte ihr sanft übers Haar, und bald begann sie zu träumen.

***

Der Start war wunderbar gewesen. Das Ereignis des Jahrhunderts. Zweiundzwanzig mutige Menschen, elf Männer und elf Frauen aus acht Ländern, die zu einer Reise ohne Wiederkehr aufbrachen, wurden in einer triumphalen Gala von der ganzen Welt verabschiedet. Achtzig Schiffsjahre würde die Reise der „Santa Maria“ dauern, und dann würden auf der Erde mehr als 400 Jahre vergangen sein. Und doch fühlten die Reisenden nur wenig Bedauern, als sie die Erde auf Nimmerwiedersehen verließen. Die ersten sechs Wochen hatten sie noch Kontakt gehalten, hatten ihre Heimat im Sternenmeer versinken gesehen, bis es schließlich nicht mehr viel zu sehen gab, und die Verzögerung des Funkverkehrs normale Unterhaltungen mit Zuhause ohnehin verunmöglichte. Bis dahin hatten sie konstant mit 1g beschleunigt, und somit unter normaler Erdschwerkraft gelebt. Jetzt befahl Roger, der Kommandant, den Verbindungsabbruch und rief zu einer großen Abschiedsfeier. Der Antrieb wurde abgeschaltet, und das Schiff mit allem, was darin war, wurde schwerelos, während es weiterhin in jeder einzelnen Sekunde mehr als fünfunddreißigtausend Kilometer von der Erde weg raste.

Diesen endgültigen Abschied und den letzten Abend vor dem langen Schlaf feierten die Reisenden mit einer gewaltigen Orgie, nachdem sie sich noch gemeinsam den letzten vielstimmigen Gruß von der Erde angesehen hatten, der bereits mehr als vier Tage gebraucht hatte, um sie zu erreichen.

An Bord gab es keine Prüderie. Es war von Anfang an vorgesehen, dass sie eine offene Sexualkultur, frei von Missgunst und Eifersucht leben wollten. Sie verstanden einander gut, waren alle jung, fit und intelligent. Im vier Jahre dauernden Ausleseverfahren hatte man sehr auf die Gruppendynamik und die gegenseitige Anziehung geachtet. Aus mehr als zehntausend Bewerbern waren sie schließlich auserwählt worden, die übervölkerte, von Fallout und Biohazards in weiten Teilen unbewohnbar gemachte, von einer Handvoll Superreicher beherrschte Erde zu verlassen. Während der letzten zwei Monate des Trainings war die ganze Mannschaft keusch gehalten worden, um sie scharf aufeinander zu machen, damit der erste Teil der Reise kurzweilig würde, und ein stabiles Bonding zwischen den zukünftigen Kolonisten aufgebaut werden konnte.

Doch der Sex war nach wildem Gerammel der ersten zwei Wochen, in allen möglichen Zusammensetzungen und Variationen, trotzdem nicht so problemlos geblieben, wie man eigentlich erwartet hatte. Die radikale Veränderung der Lebensumstände, die unsichere Zukunft, die Endgültigkeit ihres Abschieds von der Heimat, die Unmöglichkeit, einander auszuweichen: All das hatte die Lust bei einigen, vorwiegend der Frauen, verringert, während die meisten Männer ihre Frustrationen und Ängste eben gerade mit Sex abreagieren wollten.

Eine Zeit lang konnte die Stimmung trotzdem gut gehalten werden. Die Sexunlust einiger Frauen wurde von vermehrter Bereitschaft der anderen kompensiert. Doch die beste Planung konnte nicht Millionen Jahre der Evolution abschalten. Es entstanden Bindungen. Gianna verliebte sich in Lyell und gab sich nur noch ungern anderen Männern hin. Anderen ging es ähnlich, und schließlich war nur noch Rubina übrig, die mit allen Männern gleich gern schlief und auch nichts dagegen hatte, mal mehrere Sexpartner gleichzeitig zu unterhalten. Doch als diese eines Tages verkündete, sie habe sich in Alena verliebt und wolle jetzt vorläufig keine Schwänze mehr sehen, drohte die Stimmung zu eskalieren. Die Männer ohne Freundin, die bei den jetzt asexuell oder lesbisch lebenden Frauen abgeblitzt waren, versuchten, ihr vermeintliches Recht auf Sexualität durchzusetzen. Nardo versuchte, Gianna zu vergewaltigen, und wurde von Lyell daran gehindert, der ihre lauten Schreie gehört hatte. Die beiden Männer lieferten sich eine heftige Schlägerei, die der Kommandant schließlich beendete, indem er mit einem Stock auf die beiden Streithähne einschlug. Danach berief er eine Vollversammlung ein, welche schließlich mit einer dünnen Mehrheit von 12 gegen 10 Stimmen als vorläufige Lösung die Vorschrift erließ, dass alle Frauen, auch die lesbischen, zumindest für Tittenfick und Fellatio zur Verfügung stehen mussten. Die Paarungen wurden täglich neu zusammengestellt, so dass jeder Mann einmal mit jeder Frau gepaart wurde. Nach der ersten Runde, also elf Tagen, wurde eine Woche Keuschheit für alle verordnet, und jetzt, endlich, kam die große Party.

Das erste Mal Sex in Schwerelosigkeit! Alle hatten begierig darauf gewartet, und die Keuschheitswoche hatte das Ihre dazu beigetragen, dass jetzt alle, wirklich alle im Versammlungsraum in der Schiffsmitte auftauchten, es kaum erwarten konnten, ihre Kleidung auszuziehen.

Um warm zu werden, schluckte man reichlich StimCaps und AlcoTabs, schwebte zu psychedelischen Klängen durch den großen Aufenthaltsraum und kam sich in Lufttänzen näher. Oft hing jemand mitten im Raum, hilflos zappelnd in der Schwerelosigkeit, weil er oder sie sich zu schwach abgestoßen hatte. Man konnte dann nur noch ein Kleidungsstück ausziehen und mit voller Kraft wegschleudern, so dass ein winziger Impuls entstand, der einen wieder in die Nähe einer Wand brachte. Oder man stieß im Raum mit jemandem zusammen, saugte sich aneinander fest und half sich gegenseitig aus den Kleidern.

Gianna und Mireille schwebten neben der Bar, schlürften Cognac aus Tubenflaschen und kicherten über die schwebenden, zunächst schlaff in alle Richtungen baumelnden Penisse, die allerdings zusehends fester wurden, je lasziver die Frauen sich im schwerelosen Raum räkelten. Lyell stieß sich eben von der gegenüberliegenden Wand ab und flog zielsicher auf Gianna zu. Seinem Ständer war deutlich anzusehen, was er vorhatte. Er hatte den Schwung genau berechnet und schwebte langsam auf die beiden zu, die Hand erwartungsvoll nach Giannas Brust ausstreckend, welche ebenfalls in der Schwerelosigkeit eine interessante Form angenommen hatte. Giannas Brüste waren mittelgroß, auch unter Schwerkraft nur wenig hängend. Das Gewebe war straff, was Gianna darauf zurückführte, dass sie nie einen BH trug. Allerdings war sie mit 26 auch noch in einem Alter, in dem straffe Brüste nicht wirklich selten vorkamen. Auf den BH verzichtete sie eher, weil sie es einfach liebte, wenn weicher Stoff über ihre Nippel strich. Sie liebte auch Hände, Zungen und sogar Zähne auf ihren Nippeln. Sie gehörte zu den Frauen, die allein durch Stimulation der Brüste zum Orgasmus gebracht werden konnten. Auch jetzt standen ihre Brustwarzen keck hervor, und als sie sich streckte, wogten die Brüste in schwerelosen Wellen, als wollten sie davon schweben.

Gerade, als Lyell sich am Ziel seiner Wünsche wähnte, packte Gianna seine Hand und schwang sie ruckartig zur Seite, während Mireille ihn an den Beinen weg stieß. Kichernd schauten ihm die beiden Frauen nach, als er in einer spiralförmigen Drehbewegung mit verdutztem Gesichtsausdruck der Mitte des Raumes entgegenschwebte und dort hilflos zappelnd hängen blieb. Elegant stieß sich Gianna ab und flog ihrem Liebhaber mit gefährlich hoher Geschwindigkeit nach – sie hatte ihren Schwung falsch eingeschätzt. Mit einem spitzen Schrei rauschte sie an Lyell vorbei, der sie reaktionsschnell am Fußgelenk zu fassen bekam, und seinerseits vom Schwung mitgerissen wurde. Somit taumelten beide wie ein aus dem Lot geratenes Doppelsternsystem der anderen Wand entgegen, aber Gianna krümmte sich, fasste Lyells Fußgelenk, während er das ihre los ließ, und hangelte sich nach oben, bis sie seinen immer noch erigierten Schwanz erreichte und tief in ihrer Kehle versenkte. Kurz darauf krachte Lyell mit dem Rücken an die Gegenwand, die glücklicherweise wie alle Wände des Aufenthaltsraums weich gepolstert war. Sanft fasste er in Giannas kurzes braunes Haar und zog sie nach oben. Ihre Lippen fanden sich, ihre Zungen, seine Hände konnten -endlich- ihre Brüste greifen und kneten, was sie mit einem wohligen Stöhnen beantwortete.

„Nimm mich“, flüsterte sie heiser und unnötigerweise, denn er hatte sie schon in Position geschoben, um in sie einzudringen. Er fasste sie um die Hüften, wodurch er seinen Halt an der Wand verlor, und die beiden schwebten rammelnd und an den Mündern aneinander festgesaugt wieder der Raummitte zu. Doch in der Gedankenlosigkeit der Lust lockerten sie ihren Griff umeinander, und beim nächsten heftigen Penisstoß wurde Gianna entpfählt und flog mit einem enttäuschten Schrei weg von Lyell, der seinerseits in die Gegenrichtung abgetrieben wurde. Andere Paare machten dieselben Erfahrungen, und bald war der Raum erfüllt von einer Mischung aus Lustschreien, Stöhnen, Schreckensrufen, Gelächter und enttäuschten Lauten. Bis der Kommandant, der als einziger Erfahrung in der Schwerelosigkeit hatte, eine Klappe in der Seitenwand öffnete, und jedem einen der in diesem Schrank aufbewahrten Gurte zuwarf. Die Gurte waren je mit einem kurzen Seil versehen, das am Ende einen Karabinerhaken hatte. Damit konnten sich Paarungswillige aneinander festklicken, wenn sie in der Schwerelosigkeit bumsen wollten, ohne einander ständig zu verlieren.

So kam auch Lyell endlich zu seinem Abschuss, und eng aneinandergeclipt und ineinandergestöpselt schwebten die beiden noch einige Zeit durch den Raum und blickten durch die großen Panoramafenster des Aufenthaltsraums in den Himmel, der voller kristallklar leuchtender Sterne hing. Einer davon war die Erde, mit bloßem Auge nicht mehr zu sehen. Sogar die Sonne war nur noch ein etwas größerer Stern. Selten sah man ein helles Aufblitzen, wenn die automatische Meteorabwehr einen Gesteinsbrocken, der ihre Flugbahn zu kreuzen drohte, vernichtete. Die Illusion, nackt und ungeschützt durch den Weltraum zu schweben war an der Stirnwand des Raums perfekt, wo rundum Fensterflächen waren. Die befriedigten, ausgefickten Kolonisten sammelten sich dort und Stille machte sich breit. Man fühlte sich so klein und unbedeutend, und doch so großartig. Eins mit dem Universum. Eins miteinander. Alle Schwierigkeiten und Streitereien der letzten Wochen waren vergessen. Sie gehörten zusammen! Sie würden miteinander siegen oder untergehen!

Bald begannen aber die ersten zu husten, weil ihnen die umherschwebenden Speichel- Schweiß- und Spermatröpfchen in die Kehle gerieten. , und schließlich rief Roger: „Achtung, Beschleunigung nullkommaeins“, und der Computer den aus der unendlichen Energie des Kosmos gespeisten Antrieb der „Santa Maria“ auf ein sanftes Zehntel der Erdbeschleunigung startete, so dass die Orgienteilnehmer langsam zum hinteren Ende des Aufenthaltsraums sanken und dort in einem wilden Durcheinander von Menschen und Gegenständen zur Ruhe kamen. Erst als alle sicher auf dem Boden angekommen waren, wurde die Beschleunigung auf 50% der irdischen Schwerkraft erhöht, so dass man gut stehen und gehen, aber doch noch fast ohne Anstrengung aufräumen konnte. Denn nun wurde der fast fünfzig Meter messende Aufenthaltsraum wieder mittels seines raffinierten hydraulischen Gestänges zusammengeklappt, und das Raumschiff wurde zum gedrungenen Zylinder, als der es gestartet war. Den zweiten Teil der Reise würden sie im Tiefschlaf zurücklegen, während das Schiff mit doppelter Erdbeschleunigung bis fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigte. uvor wurde noch ein gemeinsamer, glücklicher, fast übermütiger Abschiedsgruß für die Erde aufgezeichnet und abgesandt. Das Letzte, was die Daheimgebliebenen von ihnen jemals zu sehen und zu hören bekommen würden. Wenn sie, keinen Tag gealtert, wieder erwachten, würden auf der Erde alle tot sein, die sie gekannt hatten.

Roger überraschte alle, als er kategorisch befahl, dass zuerst alle Frauen in den Kälteschlaf versetzt werden sollten. Niemand verstand diese Anordnung, aber andererseits war es ja auch egal. Deshalb gab es keine großen Diskussionen. Gianna küsste Lyell zum Abschied und legte sich in die Kältekammer, deren Haube sich automatisch schloss. Noch bevor sie bis drei zählen konnte, hatte das narkotische Gas sie bewusstlos gemacht, so dass sie von der weiteren Reise nichts mehr mitbekam.

Als sie, nach einer subjektiv unfassbar kurzen, nach Schiffszeit aber, wie sie wusste, rund achtzig Jahre währenden Zeitspanne wieder zu sich kam, wurde es nur allzu klar, warum Roger die Frauen zuerst in den Schlaf geschickt hatte.

 

weiter  geht es mit Chitin – Teil 3

vorheriger Teil von Chitin 

Das Titelfoto für diesen Beitrag wurde mir freundlicherweise
von dem Fotografen Thomas Mattern zur Verfügung gestellt.


Mehr von Thomas Mattern findet ihr in seiner Galerie bei unART-Fotokunst.


Vielen Dank auch an das wunderbare Model Tjara für die Erlaubnis ihr Bild zu nutzen.

Mehr von ihr findet ihr auf ihrer Facebookseite TjaraModelPage, wo sie eine Galerie mit weiteren Fotos hat und wo sie auch gebucht werden kann.


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2 Gedanken zu „Chitin 02“

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