Gehen nur Sexisten zu einer Hure?
Befürworter eines Prostitutionsverbots behaupten, wer zu einer Hure geht, sei ein Sexist. Nicht nur die Förderung, sondern schon die Duldung von Sexarbeit sei ein Ausdruck purer Misogynie.
www.twitter.com/sexkaufverbot
Stimmt das denn eigentlich?
Die Teilnehmer meiner Umfrage auf Twitter ist jedenfalls anderer Meinung.
Nun muss mal allerdings davon ausgehen, dass meine Bubble nicht repräsentativ ist. Und ich selbst bin selbst auch nicht unvoreingenommen. Schließlich habe ich schon Mal die Dienste einer Prostituierten in Anspruch genommen, und dass ich mich nicht für einen schlimm misogynen Sexisten halte, liegt auf der Hand. Außerdem bin ich selbst allerdings absolut nicht in der Lage, zu beurteilen, ob ich ein Sexist bin oder nicht. Allerdings ist die Schlussfolgerung, dass jemand nur deshalb schon ein Sexist sei, nur weil er zu einer Prostituierten geht, logisch absolut nicht zwingend. Warum sollte das so sein? Steht dahinter eine überzeugende Argumentation oder existieren irgendwelche empirischen Belege dafür?
Hier geht es nicht um Zwangsprostitution, es geht nicht um Missbrauch, es geht nicht um Frauen, die von irgendwo aus dem Ausland in Containern hierher gebracht und von miesen Zuhältern zum Anschaffen gezwungen werden. Diese Formen der Prostitution sind in Deutschland zurecht illegal (allerdings gibt es davon leider noch zu viel). Es geht hier um Frauen wie Salomé Balthus, die einen Escort-Service anbietet. Sie und viele andere Frauen entscheiden sich aus freien Stücken für diese Arbeit.
Empirische Belege sprechen gegen die Behauptung der AbolitionistInnen. Das behauptet jedenfalls die Soziologie Professorin Barbara G. Brents. Sie forscht an der University Nevada zu Gender, Sexualität und der Sexindustrie. In einer aktuellen Studie von 2020 geht sie der Frage nach ob Männer, die für Sex zahlen, sexistisch sind. Sie untersucht die Einstellung von Freiern zur Gleichberechtigung der Geschlechter und vergleicht sie mit der Einstellung der allgemeinen Bevölkerung.
Ein Auszug aus dem Pre-Publication Manuskript von Prof. Brents (Übersetzung von mir):
AbolitionistInnen* argumentieren seit langem, dass Prostitution Ursache eines kulturellen Ideals von Männlichkeit ist, das auf der Dominanz und Kontrolle von Frauen basiert. Weil vor allem Männer Sex kaufen und Frauen Sex verkaufen, fordern die Befürworter der Kriminalisierung der Endnachfrage (der Freier) das so genannte „Nordische Modell“. Sie argumentierten, dass die Gleichstellung der Geschlechter unerreichbar bleibt, solange Männer Frauen kaufen, verkaufen und ausbeuten.
[…]
Die Einstellung der männlichen Klienten zur Gleichberechtigung der Geschlechter ist ein Puzzleteil in dieser Debatte über die Nachfrage nach bezahltem Sex. Der deskriptive Vergleich unserer Studie ergab, dass Kunden von SexworkerInnen positiver gegenüber Gleichstellung der Geschlechter eingestellt sind, als die Männer generell und dass ihre Einstellungen zur Gleichberechtigung nicht im Zusammenhang mit Präferenzen für kommerziellen Sex steht. Dies unterstützt andere Forschung, die zeigt, dass die Nachfrage nach kommerziellem Sex nicht mehrheitlich durch negative Einstellungen motiviert ist. Die Nachfrage nach Prostitution ist nicht zentral von einer Männlichkeit getrieben, die auf der Abwertung von Frauen in der Gesellschaft aufbaut.
Mein Fazit:
Dies ist natürlich nur eine kleine Studie (N=519) und so einfach kann man auch nicht die Ergebnisse von den USA auf deutsche Verhältnisse übertragen. Dennoch ist die Studie aufschlussreich und zumindest ein Hinweis darauf, dass die Behauptung der Sexarbeitsgegner auf sehr wackeligen Beinen steht, zumal diese selbst keine Evidenz vorlegen.
*Abolitionismus meint in diesem Zusammenhang die Forderung nach der Abschaffung der Sexarbeit.
Alle Fun Sex Facts findest du hier
Nein, Sandrine, in Deutschland muss niemand, der legal hier lebt (und Illegalität ist ja wohl nicht zu unterstützen), anschaffen gehen – und wenn doch, dann steckt dahinter Zwangsprostitution, Nötigung etc. (ist also schon pönalisiert).
Wer allerdings zu bestimmten Bedingungen und in einem bestimmten Comfort leben will, ohne das Geld dazu anderweitig zu verdienen, ja, der geht dann schon mal anschaffen. Das ist aber, wie gesagt, freiwillig.
Dass die anderen Frauen es wurmt, dass es da so „billige Schlampen“ gibt, ist allerdings verständlich, denn ihr eigener Markwert (und der wird aus evolutions- und sexualbiologischen Gründen nun mal v.a. über die Sexualität bestimmt), sinkt dadurch natürlich auch. So wundert es nicht, dass v.a. Weiber einander Schlampe nennen, eben um sozialen Druck aufzubauen, sich nicht so einfach/billig herzugeben, und somit das allgemeine weibliche Sexangebot zu verknappen. 😉
Ich kenne einige Nachfrager von sexuellen Dienstleistungen persönlich. Es waren durchaus „nette Jungs“ dabei, wobei ich natürlich keine Ahnung habe, wie sie sich im konkreten Kontakt mit den SexDienstleistenden verhalten. Ich kann nicht ausschließen, dass sie zu sexistischen Arschlöchern mutiert sind, als der Geldschein ihre Hand verlassen hat…
Global gesehen ist natürlich kein Mann sexistisch, aber wenn es konkret wird (die Freundin mehr Geld verdient, er länger als 2 Monate in Elternzeit gehen soll (Karriereknick!!!! oh mein Gott!!!) oder er plötzlich eine Chefin hat) sieht die Welt doch wieder ganz anders aus.
Meine Recherchen in Freier Foren („Hinter Hornbach“, kotz) waren relativ ernüchternd, wobei ich eher ein anderes Problem sehen würde: Prostitution ist aus meiner Sicht der reine Manchester Kapitalismus. Ein völlig ungeregelter Markt. Ich kann mir für Geld neue Schuhe oder Ohrringe, aber auch einen Menschen kaufen, der dann macht, was ich will. Das Geschlecht des gekauften Menschen ist dabei egal, deshalb sehe ich eher ein Kapitalismusproblem und weniger ein Sexismusproblem, aber da die meisten Dienstleistenden Frauen sind, hat die Gesellschaft wohl eher die im Fokus.
In meinem Wohnort gibt es jede Menge Armutsprostitution. Herr Falbalus schrieb oben „Sexarbeit bezahlt die Rechnungen. Unterstützt Familien.“ Hier prostituieren sich junge Geflüchtete, die ihre Schlepper bezahlen müssen und Analphabetinnen aus Südosteuropa, die absolut keine andere Möglichkeit haben, Geld zu verdienen. Und das wird im Sinne von Angebot und Nachfrage von den Kunden kräftig ausgenutzt. Damit relativiert sich auch die Freiwilligkeit.
Ein Sexkaufverbot wird wahrscheinlich so wirksam sein wie ein Drogenverbot, nämlich gar nicht. Ich würde mir aber eine „Regulierung des Marktes“ wünschen, um die Ausbeutung der Schwächsten wenigstens zu verringern (statt des Weberaufstandes einen Sexarbeiterinnenaufstand). Wie das aussehen soll, können nur Insider*innen des Gewerbes definieren. Wahrscheinlich ist es aber (wie viele meiner Ideen) völlig illusorisch.
Das Schwierige ist, dass gerne auch das Problem größer gemacht wird, als es ist.
Das erkenne ich alleine daran, dass vom „Nordischen Model“ // „Nordic Model“ gesprochen wird, wo eigentlich nur das „Schwedische Model“ gemeint ist. Denn Prositution ist in Finnland und Dänemark, jedoch nicht in Norwegen, Schweden und Island erlaubt. (https://de.wikipedia.org/wiki/Prostitution_nach_L%C3%A4ndern)
Prostitutionsgegner nutzen einfach den Effekt, dass Worthascherei auf wenig Recherche, gerade in den Mainstream-Medien, trifft und so wird ein „Nordisches Model“ erzeugt, welches gar nicht existiert.
Ich brenne mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V. (https://berufsverband-sexarbeit.de/) ganz besonders dafür das Model so zu nennen, wie es wirklich heißt.
Welches Auswirkungen das hat, merkt man ja in der Annäherung an das schwedische Model in Frankreich zuletzt. Denn egal unter welcher Gesetzgebung Prositution verboten wird, sie findet dennoch statt und schiebt sich nur in einen Untergrund, der nicht mehr greifbar ist.
Auch jetzt unter Corona findet Prostitution in Deutschland statt. Denn es gibt Menschen aller Geschlechter, die auch ohne Gewaltzufuhr oder Drogenentzug anschaffen gehen müssen. Sexarbeit bezahlt die Rechnungen. Unterstützt Familien. Und wie oft hören wir: „Ficken gegen Geld ist doch verboten?! Dann machst Du es ja auch für 10 statt 50 EUR, nicht wahr?“
Und genau das ist der sexistische Gast, den die Kolleginnen und Kollegen nicht brauchen können. Der kommt genau dann noch öfter zum Vorschein, wenn Sexarbeit nach schwedischem Model verboten wird.
Schöne Zukunft. Nicht.