Drexler 9

cropped-cropped-drexler-1.jpgEs gibt ja Leute, die können nicht über Sex reden. Wie ihr ganz richtig vermutet, gehöre ich nicht zu diesen Leuten. Mir ist das ein absolutes Rätsel. Okay, es muss ja nicht jeder gleich sein Sexualleben in die Welt hinausschrei(b)en, wie ich es mache. Aber verstehen kann ich es nicht. Da leben zwei Leute Jahre oder jahrzehntelange Seite an Seite, und können nicht über diese eine Sache reden? WTF!

Es heisst doch ‚In guten wie in schlechten Zeiten‘, führen wir uns doch mal vor Augen, was das eigentlich genau heisst ‚schlechte Zeiten’.

 

Sie: „Was ist los Schatz, geht’s dir nicht gut?“

Sie sieht natürlich, dass es nicht die tödliche Männergrippe ist. Es ist was ernstes. Zumal er vorhin auf die Frage „Wo tuts denn weh Schatz?“, erst bei der dritten Wiederholung  reagiert hatte.

Sie: „Da?“

Sie: „Soll ich mal nachsehen?“

Mühsam bringt er sich eine Position, die ihm sichtlich unangenehm ist. Als er sie endlich eingenommen hat, ist es völlig verständlich, dass ihm das unangenehm ist.

Er: „Das tut Scheisse weh. Steckt da ne Drahtbürste drin, oder so?“

Er: „Nee, ne Drahtbürste  ist das nicht!“

Er: „Was ist das?“

Sie: „Hast du gestern Hühnchen gegessen?“

Sie: „Roh?“

Sie: „Eigentlich siehts mehr nach einem Truthahn aus, der an einer seltenen Krankheit leidet!“

Sie: „Und du hast ihn roh und am Stück gegessen?“

Sie: „Es ist jedenfalls blutig. Und hängt aus deinem Hintern.“

Er: „Scheisse, hör auf dich lustig zu machen.“

Sie: „Du, ich glaub das sind Hämödingsda.“

Er: „Scheisse. Echt. Bin ich dafür nicht zu jung?“

Sie: „Soll ich mal ein Bild machen. Oma kennt sich damit aus, wegen Opa.“

 

Solche Dialoge sind möglich, und unser fiktives Paar übersteht schmutzige Unterwäsche, schmerzhafte Blasenentzündung, übelriechende Clamydien-Infektionen. Sie sind füreinander da, stehen einander bei. Aber …

 

„Sag mal, könntest du mir beim nächsten Blowjob einen Finger in den Hintern stecken? Fred, das ist der Banker, hat mir das neulich beim Golfen erzählt. Der ist zwar ’ne Schwuchtel, aber er kennt sich mit sowas aus.“

Diese Frage käme ihm niemals über die Lippen. Und sie traut sich nicht, ihm zu sagen, dass sie durch seine oralen Bemühungen zum letzen Mal in den Flitterwochen zum Höhepunkt kam. Und überhaupt, die ganze Leckerei ist sowieso nicht mehr der Hit, seit er sich den Vollbart hat wachsen lassen. Und auf den richtigen Moment, ihm zu zeigen, wo er ihre Klitoris finden könnte, wartet sie seit dem ersten Date.

Verrückt, und irgendwie traurig.

 

Aber gut, muss man akzeptieren, manchen Menschen fällt es sehr schwer über die schönste Nebensache der Welt zu sprechen. Kommunikation ist aber nun mal das A und O, ganz egal um welches Thema es geht, besonders in Bezug auf eine Partnerschaft, speziell in Bezug auf Sexualität und erst recht in Bezug auf BDSM. Da geht es um das Zufügen von Schmerz, das Spielen von Mind-Games. Grenzen sowohl physisch als auch psychisch kommt man bewußt und gewollt nahe. Ganz ehrlich, wenn man nicht darüber reden kann, dann lässt man besser die Finger davon, oder ?

 

Zum Glück haben wir SM-ler in mancherlei Hinsicht gewisse Vorteile. Bei einer Beziehung mit einem Machtgefälle, hat der Top im Idealfall die Fähigkeit solche ‚Defizite‘ zu erkennen und ist in der Lage aus dem Repertoire der BDSM-Erziehungskiste, die für den Bottom geeignete Maßnahmen auszuwählen, so dass an solcherlei Hemmnissen des gemeinsamen Glücks gearbeitet werden, und sie aus dem Weg geschafft werden können.

 

Ein Dom kann seine Sub z.B. einfach zur Offenheit zwingen: „Rede mit mir!“ oder „Schreib mir deine Fantasien, Vorlieben und erotischen Träume auf!“, könnte seine Anweisung lauten, deren Ausführung dann sanktioniert wird, mit Zuckerbrot oder mit Peitsche. Bei manchem Paar, bei mancher Sub, mag das die richtige Methode sein. Das muss jeder Dom selbst entscheiden. Mich würde die Aussage „Verrat mir was du zum Glück brauchst!“ an  „Sei Glücklich!“ im Imperativ erinnern und von einem Peitschenknall begleitet bestenfalls zu einem Stirnrunzeln animieren, aber ich bin ja auch nicht sub 😉

 

Für mein Subbielein schied diese Methode jedenfalls aus. Ich bediente mich also eines Tricks. Nämlich Porno. Ich machte ein Abo auf einer Pornowebseite, lud terabyteweise Filme runter und Subbie bekam die Hausaufgabe sich diese Filme anzuschauen. Die Auswertung erfolgte halbautomatisch über die Statistikfunktion des Players an ihrem Notebook.

Welche Videos hatte sie überhaupt angeschaut, wie lange und wie oft. Welche hatte sie mit Sternchen versehen und mit wie vielen usw.  Das klingt viel wissenschaftlicher als die praktische Umsetzung. Die war nämlich eher profan. Wir schauten uns hin und wieder gemeinsam solche Filme an. Das, was sie zu ihren Favoriten erklärte, unterschied sich übrigens von dem, was die statistische Auswertung ergab, was übrigens zu einigen Erkenntnissen über unbewusste Vorlieben führte.

Mit Pornos findet man viel leichter einen Einstieg in ein Gespräch, ob die Sub dabei in den Armen des Doms liegt oder zu seinen Füßen kniet, bleibt den persönlichen Vorlieben überlassen. Mit anderen Worten, die Methode ist sogar für Vanillas geeignet.

Je mehr Subbie klar wurde, dass ich sie für ihre ‚perversen‘ (und manchmal auch schrägen) Vorlieben nicht verurteilte, desto mehr taute sie auf. Ich lief nicht schreiend aus ihrer Wohnung, als  wir uns einen Film mit sehr vielen männlichen Darstellern aber nur einer einzigen weiblichen ansahen, der übrigens mit einem Natursekt-Inferno endete. Auch kam ich nicht auf die Idee, ein Szenario in die Tat umzusetzen, nur weil sie sich dieses gern in einem Film ansah. Hey, ich bin Autor, wenn einer es kennt, Sexfantasien zu haben, die man sehr anregend findet, ohne sie jemals in die Tat umsetzen zu wollen, dann bin das ja wohl ich. Ich schreibe ja auch Non-Consent und Rape-Stories!

 

Wir sahen uns also gemeinsam Pornos an und das ist ja schon mal anregend. Erkenntnisgewinn, Gespräch und sogar der Porno selbst werden zur Nebensache, weil man schnell in Stimmung kommt.  Trotzdem findet der Erkenntnisgewinn statt. So kristallisierte sich bald heraus, dass Subbie auf Filme mit Sextoys stand, besonderen Sextoys, besonders großen Sextoys. Alle Arten von Dehnungsspielen taten es ihr an und damit sind wir dann endlich beim Fisting, nach fast 1000 Worten.

 

Fisting ist etwas, das, wie ich zugeben muss, überhaupt nicht auf meinem Schirm stand. Hatte ich noch nie gemacht und noch nie darüber nachgedacht, warum auch? Sieht auch auf bildlichen Darstellung weder ästhetisch noch anregend aus, zumal es selten von den hübschesten Akteuren dargestellt wird. Da ich auch nicht behaupten kann, dass meine Hand eine besondere erogene Zone ist, schon gar nicht im geballten Zustand, war ich auch nie auf die Idee gekommen.  Zudem hatte ich es eher für eine männliche Wunschvorstellung gehalten, als für eine weibliche Fantasie.

 

Nachdem ich aber durch die Fülle an entsprechenden Videos in Subbies Playlist einmal diesen Verdacht hegte, ging ich daran, ihn zu bestätigen. Es galt festzustellen, ob das etwas war, das sie sich NUR gerne ansah und darüber fantasierte oder um etwas, das sie wirklich ausprobieren wollte. Das geschah ganz automatisch und nebenbei.

Einfache Dehnungsspielchen kann man auch ohne explizites Spielzeug ins Sexspiel einbauen. Man kann ein Frau mit nur zwei Finger schon sehr weit dehnen, und sich peu a peu an die Schmerzgrenzen herantasten. Und das gefiel ihr offensichtlich. Mit einem versauten Luder wie ihr kann man auch herrliche Gespräche führen. Wenn sie im Schwimmbad neben mir lag und sich eine Dose ihres Lieblingserfrischungsgetränks aufzog und ich, unbeirrt von unseren Wiesennachbarn, ein Gespräch über den Porno von neulich begann, in dem eine solche Dose eine wesentliche Rolle gespielt hatte. Ich kann das ganz gut, in beiläufigem Ton, solche Gespräche führen, gerade so laut, dass Subbie sich fragt ob uns jemand zuhört. Und dieses Gepräch endete damit, dass ich meinerseits mein bevorzugtes Getränk in Dosenform öffnete. Diese Dosen sind nämlich etwas schmaler, und ich parkte sie dann zwischen Subbies Beinen . Naja, ihr könnt Euch ihre Reaktion sicher lebhaft vorstellen.

Und dann gibt es vielerlei Möglichkeiten Dehnungspiele mit normalen Sextoys zu praktizieren, z.B. indem man mehrere davon kombiniert. Und am allerbesten, so jedenfalls bei Subbielein, die das „echte“ Spielzeug jedem Sextoy vorzieht, war die Kombination des „Echten“ mit einem künstlichen Toy oder Gegenstand. Himmel, da ging bei ihr aber echt die Post ab. Irgendwann kauft man dann mal ein richtiges Dehnungstoy. http://amzn.to/29jbzPX

 

Tja und irgendwann war es dann soweit. Ich will Euch da gar nicht mit den Details langweilen. Das ist an sich kein Vorgang, den man allzu genau beschreiben muss, in ästhetischer Hinsicht jedenfalls. Ich kann nach wie vor nicht behaupten, dass ich Vorurteile durch meine Versuche abgebaut habe. Es hat einen ziemlichen Kink-Faktor, wie alles exotische, das man neu probiert. Und das taten wir, immer wieder über Wochen, weil man sich herantasten muss – oder hinein?

Und wenn es ihr gefällt, ist es doch für ihn eine gute und wichtige Erkenntnis, egal in welcher Art von Beziehung man sich befindet. In einer D/s-Beziehung ist es unglaublich wichtig, geradezu essentiell zu wissen, was ihr gefällt und was nicht. Gefällt es ihr nicht so gut, kann man es als vielleicht als Strafe einsetzen, es sei denn sie erklärt es zu einem Hard-Limit. Gefällt es ihr so ‚la-la‘, dann kann man es vergessen. Gefällt es ihr aber sehr sehr gut, dann hat man als Dom ein ziemliches Machtmittel in die Hand bekommen.

 

Wenn ich sie vorbereite, sie in die entsprechende Stellung bringe und fessle, dann kommt sie sehr schnell in Stimmung. Ich verschwinde und hole das Gel, und wenn ich zurückkomme, glänzt ihr Körper schon vor Schweiss. Und wenn ich dann loslege, dann macht sie Geräusche, eine ganze Palette davon, die ich ihr sonst nur sehr selten entlocken kann.


Hinweis: siehe auch Unter der Haut 

3 Gedanken zu „Drexler 9“

  1. Kommunikation – das ist immer so eine Sache. Wichtig, klar, eine Basis in der Beziehung. Kann aber manchmal schwerer sein, als man glaubt. Gespräche, die über Gefühlszustände gehen, über eigene Wünsche, Phantasien? Oftmals schon schwierig, wenn man sich der Frage stellen muss, woher weiß ich, was mir gefällt, wenn ich nicht weiß, was mir gefällt.
    Sich neu zu entdecken, geheime Fantasien entwickeln, als Paar auf eine Entdeckungsreise gehen, in der man nicht nur sich selber, sondern eben auch als dieses eine neue Ebene erreicht. Vorausgesetzt, man ist offen, sich Neuem hinzugeben und zu genießen. Und darüber zu sprechen!!!
    Ob es die virtuellen Medien sind, kleine Briefchen oder aber auch anregende Chats, die dazu beitragen. Daher finde ich, dass dieser Teil von Drexler eine sehr anregend, inspirierende Story ist.
    Ich freue mich auf mehr.

  2. Lieber Tomasz,

    ich kann das auch nicht verstehen, wenn man mit seinem Partner, den man über alles liebt, nicht über SEX reden kann. So kann man doch ganz anders seine sexuellen Wünsche ansprechen und später ausleben und jeder ist wahnsinnig glücklich.

    Super fand ich den Dialog des fiktiven Paares zwischen Mann und Frau.

    Genau so ist es.

    Ich habe darüber schon im Freundeskreis, viel gehört.
    Ich habe so gelacht.

    Doch um es auf den Punkt zu bringen, „REDEN“ heißt das Zauberwort!

    Drexler hat einen Einblick in seine Gedanken gegeben, bei verschiedenen Spielen im BDSM-Bereich und in einer D/S-Beziehung, was ich für sehr notwendig erachtet habe, weil viele Leser sicher noch nie eine körperliche Erfahrung gemacht haben und bisher nur in Erotik – Büchern oder anderer Literatur darüber gelesen haben.
    Mir hat das sehr viel gebracht, ich muss immer alles wissen und ausprobieren, denn man lernt nie aus.

    Tomasz noch auf ein Wort:
    Ich bin immer wieder fasziniert über Deine super intelligente Wortwahl in den Sätzen, mir macht es so viel Spaß das zu lesen und ich sitze manchmal mit offenen Mund vor meinem Lapi und staune und denke, wow, hat er es drauf.

    Danke dafür….Du schreibst wunderbar.
    Deine Marion

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