Die Sklavin des Humanisten 02


4

Der Wunsch nach Unterwerfung ist keine Absage an die eigene Freiheit oder die Emanzipationsidee. Genausowenig ist er als Bestätigung des Patriarchats zu verstehen oder als Einwilligung in die perverse Mißhandlung von Frauen.
Sina–Aline Geißler (*1965, Schriftstellerin)

(11. Februar)

 

 

Das Haus war angenehm temperiert. Rainer saß am Tisch in der großen Essküche, und Liana bereitete ihm Kaffee. Sie trug einen dünnen seidenen Morgenmantel, den er schließlich in einem Schrank neben der Dusche gefunden hatte.

»Bitte ziehen Sie das an, ich kann sonst nicht klar denken«, hatte er sie aufgefordert. Danach schien sich ihr Wesen auf subtile Weise zu verändern. Sie war nicht mehr so seltsam abwartend, zwar immer noch ungewöhnlich ehrerbietig, aber doch auch wie eine Gastgeberin. Sie hatte gefragt, ob er einen Kaffee wolle, und sie waren gemeinsam in die Küche gegangen.

»Seit wann sind Sie hier?«, wollte er nun wissen.

»Darf ich Sie um etwas bitten, Herr?«

»Was?«

»Bitte siezen Sie mich nicht. Ich bin Ihre Sklavin. Sklaven siezt man nicht.«

»Sie sind keine Sklavin. Sklaverei wurde vor langer Zeit abgeschafft!«, entgegnete Rainer mit einer Mischung aus Verblüffung und Entrüstung.

»Ich bin es, Herr. Durch meinen eigenen Willen. Das ist der wesentliche Unterschied zu derjenigen Sklaverei, die abgeschafft worden ist«, entgegnete sie ruhig. Einige Zeit sagte keiner etwas. Die Sklavin stand dem Bibliothekar in respektvollem Abstand mit gesenktem Blick gegenüber, gekleidet in einen hauchdünnen Morgenmantel. Der Mann betrachtete sie, verlegen bemüht, den Blick oberhalb ihrer Schlüsselbeine zu halten, ohne ihr aber direkt ins Gesicht zu sehen.

Endlich fasste er sich. Mit einer Stimme, die zuerst nur ein Krächzen war, bis er seine Kehle mit einem Räuspern reinigte, schlug er vor:

»Wollen wir es so machen: Ich duze Sie fürs Erste, und dafür beantworten Sie meine Fragen?«

»Gerne, Herr.«

»Setz dich bitte«, wies er auf den zweiten Stuhl am Küchentisch. Sie nahm vorsichtig Platz, als habe sie Angst, der Stuhl breche unter ihr zusammen (was angesichts ihrer schlanken Gestalt eine seltsame Vorstellung war) und fühlte sich sichtlich unwohl. Sie legte die Arme nicht auf den Tisch, sondern auf ihre Oberschenkel, die sie leicht gespreizt hielt. Der Morgenmantel war etwas verrutscht, als sie sich setzte, und enthüllte dadurch etwas mehr von ihrem Dekolleté. Rainers Blick suchte, eigentlich ohne, dass er es wollte, die sanfte Kurve ihres Busens. Sie bemerkte es und richtete sich noch mehr auf, sodass der Morgenmantel noch ein Stück weiter auseinander rutschte, und ihre Brüste noch schöner zur Geltung kamen.

Errötend blickte Rainer wieder in ihr Gesicht.

»Weißt du denn, wer ich bin?«

»Sie sind der Neffe meines verstorbenen Herrn. Der Erbe.« Sie konnte nicht verhindern, dass Tränen in ihre Augen stiegen, obwohl sie diese Situation im Kopf schon so oft durchgespielt hatte.

»Du hast ihn geliebt«, sprach er das Offensichtliche aus, um die verlegene Stille zu brechen. Sie nickte stumm.

»Aber hier zu bleiben und weiter eine Sklavin zu sein, bringt ihn nicht zurück!«

»Ich habe nicht die Wahl. Ich gehöre zur Erbschaft.«

Erneut fühlte Rainer Unwillen in sich hochsteigen. Dieser Gedanke, dass ein Mensch wie eine Sache behandelt werde, ja sich selber wie eine Sache sehen könne, war ihm zutiefst zuwider. Es war ihm allerdings klar, dass er die offensichtlichen psychischen Probleme dieser jungen Frau nicht gleich am ersten Tag heilen konnte. Zumal er betreffend der Psyche von Frauen ohnehin über mehr theoretisches als praktisches Wissen verfügte. Dass es aber psychische Probleme sein mussten, daran zweifelte er keine Sekunde. Der Mensch ist schließlich frei geboren und strebt stets nach Freiheit, so war es Rainers tiefe und echte Überzeugung.

»Erkläre mir bitte, warum du mir verpflichtet zu sein denkst«, bat er schließlich diplomatisch. Liana dachte einen Moment nach. Dann erzählte sie.

 

5

Sklaven können nicht verpfändet werden, beim Tod eines Herrn werden sie gleichmäßig auf die Erben verteilt.
Code Noir, Frankreich (1685)

 (12. Januar)

 

Die Erinnerung an Alain erfüllte sie noch immer mit Traurigkeit und Schmerz. Er hatte ihre verborgenen Bedürfnisse erkannt, noch bevor sie ihr selber klar geworden waren. Er hatte sie geliebt und beherrscht, sie hatte ihn geliebt und sich ihm unterworfen. Sie war sein Eigentum. Auch über seinen Tod hinaus.

Alain war todkrank gewesen. Krebs hatte seinen einst so starken Körper innerhalb weniger Monate zerfressen. Er, der so kompromisslos zu kontrollieren pflegte, verlor zunehmend die Kontrolle über sich selbst. Doch selbst in dieser hoffnungslosen Situation verstand er es, seinen Abschied aus dem Leben zu inszenieren wie eine jener Sessions, für die er in der Szene der ganzen Region berühmt war. Die letzte Party hatte er eine Woche vor seinem Tod gegeben. Das Motto war »Himmel und Hölle« gewesen und mit viel Hingabe hatten Liana und zwei seiner Freunde mit ihren Sklavinnen den Keller nach seinen Anweisungen gestaltet. Er selber war bereits zu schwach gewesen, um mitzuhelfen.

Die Session war in ihrer Mischung aus Düsterkeit und Lebensfreude für alle geladenen Gäste ein unvergessliches Erlebnis geworden. Jedem Sklaven, jeder Herrin, jeder Sub und jedem Dom war es bewusst, dass der Gastgeber sterbend unter ihnen war. Er beteiligte sich nicht, sondern saß etwas erhöht auf einer Art Anklagebank. Auch Liana beteiligte sich nicht und wurde auch nicht benutzt, sondern lag zu seinen Füßen. Die Gäste waren, dem Motto und den Anweisungen auf der Einladung entsprechend, als Engel oder Teufel zurechtgemacht. Alain hatte wie immer nichts dem Zufall überlassen. Und daher war es auch absolut kein Zufall, dass der Mann, dessen Sadismus die Toleranzgrenze der Szene oft erreichte und manchmal sogar überschritt, als Erzengel erschien.

Und doch rief niemand ›Blasphemie‹, denn es war allgemein bekannt, dass Alain kein Lästerer war. Er glaubte allerdings nicht ans stilisierte Christentum, wie es von der Kirche kolportiert wurde, und er verachtete die Intoleranz der Geistlichen, die ihn verdammen würden, nur weil er abweichende sexuelle Gelüste hatte. Er war Agnostiker, aber durchaus mit Respekt für diejenigen, deren Glauben fester war, als seiner.

Im Lauf der Session zeigte sich die eindringliche Kraft der von ihm gewählten Symbolik. Engel und Teufel fochten ihre Kämpfe aus, bei denen nicht immer klar war, wo das Gute und wo das Böse zu finden sei, und am Ende mündete die Nacht in eine orgiastische Vereinigung des Himmels mit der Hölle. Als in dieser Phase niemand mehr auf sie achtete, verschwanden Alain und Liana unauffällig durch eine hintere Tür, weil Alain jedem sentimentalen Abschied aus dem Weg gehen wollte. Erschöpft und aufgepeitscht, nachdenklich und betrübt, zufrieden und still, glücklich und traurig gingen die Gäste nach Hause, während Liana im Schlafzimmer mit ihren Lippen und Zunge ihrem Herrn einen sanften, zärtlichen Orgasmus schenkte, einen kleinen Tod, der ihn den nahen großen Tod für ein Weilchen vergessen ließ.

Und nun, eine Woche später, war es an der Zeit, sich von seiner Sklavin zu verabschieden und aus dem Leben zu gehen, solange er noch selbst dazu in der Lage war. Er würde nicht bettlägerig und pflegebedürftig sterben, so war sein Entschluss.

Nun hatte er seinen Freund und Rechtsanwalt Heiner zu sich gebeten, um die Details seines letzten Willen zu klären. Alain saß in seinem Lieblingssessel im Wohnzimmer, Liana kniete neben seinem rechten Bein, wie gewöhnlich nackt und am Halsreif angeleint. Sie hatte den Kopf auf seinen Oberschenkel gelegt, und genoss die Hand ihres Herrn, die ihr zärtlich durchs Haar streichelte. Heiner war dieser Anblick durchaus vertraut; auch er war ein Szenegänger und häufig bei Alains Partys eingeladen. Er saß auf einem Stuhl am Schreibtisch, vor sich einen Computer und die vorbereiteten Papiere. Alain hatte nur zwei lebende Verwandte: Den Sohn seiner verstorbenen älteren Schwester und den Enkel eines Bruders seines Großvaters.

Den Neffen hatte er einige wenige Male gesprochen, zuletzt bei der Beerdigung seiner Schwester. Er war ihm, in seiner ruhigen, bescheidenen Art sympathisch gewesen, gleichzeitig hatte er Mitleid gefühlt, denn es war ihm klar, wie sehr seine Schwester sich nach dem frühen Tod ihres Mannes an den Sohn geklammert, und diesen so in seiner eigenen Entfaltung schwer gehemmt hatte. Alain hatte diskrete Erkundigungen über ihn eingeholt, deren Ergebnis er Liana aber nicht mitgeteilt hatte.

Der Großcousin Fred war ebenfalls Szenegänger und früher mehrmals bei Alain gewesen. Bei einer Session hatte er Liana ohne Erlaubnis ihres Herrn grob benutzt, also eigentlich vergewaltigt. Auf eine Anzeige hatten sie wegen geringer Erfolgschancen verzichtet, aber seither den Großcousin nie mehr eingeladen.

Alain wollte seinen Neffen zum Universalerben einsetzen, und Heiner hatte das Testament entsprechend vorbereitet. Wenn Rainer das Erbe ausschlüge, würde Fred eingesetzt.

»Du kennst den Code Noir?«, fragte Alain seinen Freund. »Nur der Spur nach«, entgegnete dieser. »Es geht um die Regelung der Sklaverei im alten Frankreich, nicht?«

»Genau. Ursprünglich ging es um die Behandlung schwarzer Sklaven in den Überseegebieten. Liana ist nach den Regeln des Code Noir mein Eigentum. So haben wir es damals vereinbart. Sie gab ihren gesamten Besitz, ihre Selbstbestimmung und ihren früheren Namen Melanie auf und wurde meine Sklavin.« Er machte eine Pause und kraulte Lianas Nacken, die sich wohlig ein wenig gegen seine Hand reckte. »Der Vertrag ist unauflösbar und geht mit dem Tod des Herrn auf dessen Erbe über«, fuhr er schließlich fort. »Liana ist Teil des Erbes.«

Heiner zögerte kurz. »Das hast du mir nie gesagt …«

»Es war auch nicht nötig, jemanden außer mir und Liana über die Details unserer Vereinbarung zu informieren.« Eine weitere kurze Pause entstand, während Heiner googelte. »Der Code Noir wurde 1848 in Frankreich außer Kraft gesetzt. Und er erlaubte auch, Sklaven freizulassen. Du kannst Liana die Freiheit schenken«, sagte er schließlich, worauf ihn einer dieser kurzen blitzenden Blicke aus Lianas Augen traf, bevor sie diese wieder halb schloss und sich den Zärtlichkeiten der immer noch streichelnden Hand hingab. »Wir haben einen unauflöslichen Vertrag geschlossen. Die Artikel des Code Noir, die die Freilassung regeln, sind in unserem Fall ungültig«, erläuterte Alain schließlich.

»Warum habt ihr das getan?«

»Weil es so richtig war und so sein musste.«

»Kein Erbschaftsamt wird das anerkennen. Und Sklavenverträge sind nach geltender Rechtssprechung sowieso sittenwidrig und automatisch ungültig. Liana kann tun, was ihr beliebt«, gab Heiner zu bedenken.

»Sie kann theoretisch, aber sie wird nicht. Sie fühlt sich an den Vertrag ebenso gebunden, wie ich. Du brauchst sie in der offiziellen Aufstellung der Erbschaft ja nicht auf die Liste zu nehmen. Es genügt, wenn du weißt, dass sie zum Erbe gehört.«

»Liana, ist das auch wirklich dein Wille?«, versuchte es Heiner noch einmal. Liana reagierte zunächst nicht, bis Alain kurz an ihrer Leine ruckte. Dann sah sie ihren Herrn an, und als dieser nickte, sagte sie »Ja, Heiner. Der Wille meines Herrn ist auch mein Wille.«

»Dann ist das geklärt«, schloss Alain die Diskussion ruhig. »Liana, steh auf!«, befahl er dann mit neuer Schärfe in der Stimme. Sofort erhob sie sich, und stellte sich ihm gegenüber in Neutralstellung auf. Die Leine hatte er losgelassen, diese hing nun zwischen ihren Brüsten und das Ende pendelte über ihrem Venushügel. Alain fuhr fort, immer noch mit strenger Stimme: »Du wirst mir untreu werden, denn du wirst dich meinem Erben hingeben. Für diese Untreue wirst du nun bestraft.«

»Ja, Herr«, entgegnete sie nur.

Mühsam erhob sich Alain aus seinem Sessel und führte Liana zum Wanddurchbruch zum Esszimmer, wo er sie an den oben am Torbogen befindlichen Ringen befestigte. Dann holte er einen Flogger und eine Gerte aus dem Sideboard. Zärtlich küsste er Liana auf den Mund. »Du bist die Sonne meines Lebens. Ich liebe dich, wie ich noch nie geliebt habe. Dich verlassen zu müssen ist das einzig Schmerzliche an meinem Tod.« Liana bebte und Tränen traten ihr in die Augen. Zärtlich tupfte er sie ab und reichte dann Heiner den Flogger. »Wärm‘ sie auf, bitte.«

Heiner begann mit den Oberschenkeln und arbeitete sich Schlag für Schlag nach oben bis zu den Schultern. Dann erhöhte er die Schlagkraft, sodass Liana ein Keuchen nicht mehr unterdrücken konnte, und ließ seine Hiebe wieder nach unten wandern. Danach hob Alain die Gerte und versetzte Liana einen Hieb, in den er all seine schwindenden Kräfte legte, auf den Po. Sie schrie laut auf, und Alain setzte noch einen zweiten Schlag, fast ebenso hart. Dann übergab er die Gerte an Heiner. »Mach weiter, ich kleide mich unterdessen an.«

Heiners Schläge waren kaum schwächer, als die ihres Herrn. Selten war Liana so schwer gezüchtigt worden. Als Alain in seinem besten Anzug zurück kam, hing sie schweißgebadet und tränennass in ihren Fesseln.

»Fick sie bitte noch, während ich das Testament fertigstelle«, forderte Alain seinen Freund auf und setzte sich.

Heiner band Liana los, trug sie ins Esszimmer und legte sie dort auf den Tisch, was ihr erneut einen Aufschrei entlockte. Als er seine Hose öffnete, sprang sein Penis sofort heraus und er drang in ihre nasse Spalte und trieb sich mit schnellen, mächtigen Stößen, die die Sklavin jedes Mal schmerzhaft über die Tischplatte schoben, zum Orgasmus. Danach ließ er sie einfach liegen. Auch Alain sagte nichts mehr zu ihr, sondern blickte sie nur noch einmal traurig an, bevor er mit seinem Freund das Haus verließ.

Liana sah ihn nie wieder. Und Heiner weigerte sich auch später stets, ihr zu erzählen, auf welche Weise ihr Herr sich das Leben genommen hatte.

 


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2 Gedanken zu „Die Sklavin des Humanisten 02“

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