Chitin 20

Zwanzig

Als Gianna erwachte, war sie geil. Es war stockdunkel, und sie hatte keine Ahnung, wie lange sie geschlafen hatte. Aber sie war scharf wie eine Rasierklinge. Sie wusste erst nicht, wo sie war, lebte noch halb in ihrem Traum, bis sie wie ein Schlag die Erkenntnis durchfuhr. ›Ich muss schockiert und verzweifelt sein. Ich muss mir überlegen, wie ich hier wegkomme‹, dachte sie. Aber was sie wirklich fühlte, war grenzenlose Geilheit. Ein Griff zwischen ihre Beine bestätigte, was sie ohnehin wusste: Sie war nass und ihre Klitoris war angeschwollen. Schließlich gab sie den intellektuellen Widerstand auf. Sie würde ohnehin zu keinem klaren Gedanken fähig sein, bevor sie Befriedigung fand.

Ein kurzes Tasten, und sie wusste, dass Nardos Penis erigiert war, obwohl er noch schlief. Er lag auf dem Rücken. Mit einer fließenden Bewegung bestieg sie ihn. ›Ich bin eine läufige Hündin‹, dachte sie verwundert, bevor die Lust alle Gedanken verdrängte. Ob Nardo wach war oder noch schlief, war ihr egal. Aber er musste wohl unter ihren gierigen Bewegungen erwacht sein, denn er ergriff ihre Brüste und begann zu stöhnen. Doch Giannas Orgasmus kam diesmal lange vor dem Seinen. Sie glitt von ihm und nahm seinen Penis in den Mund. Sie leckte an der Eichel, an den Eiern, am Damm, nahm ihn wieder ganz auf, saugte, lutschte, und endlich gelang es ihr, ihn zum Abspritzen zu bringen. Er blieb auch dann noch liegen, als sie ihm Wasser und Nahrung brachte, und ihn sorgfältig wusch. Dann legte sie sich neben ihn, bettete den Kopf auf seine Brust und wartete, bis das spärliche Tageslicht die Kammer ein wenig erhellte. Nardo war wieder eingeschlafen. Sie streckte sich und kuschelte sich noch dichter an den haarigen, warmen Männerleib neben ihr. Sie musste eingedöst sein, denn als sie den nächsten bewussten Gedanken fasste, war das Licht deutlich heller geworden. Schon wieder fühlte sie Geilheit in sich aufsteigen.

»Verdammt, das ist doch nicht normal«, brummte Nardo. Er war erwacht. Fühlte er ihre Geilheit?
»Was meinst du?«, fragte sie unsicher.
»Wieso denke ich in dieser beschissenen Lage so viel an Sex? Mein Schwanz tut noch weh, aber er steht schon wieder. Schau dir das an!«
Gianna spielte ein wenig mit dem Glied, das tatsächlich schon halb stand. »Ich bin auch dauernd geil, Herr.« gestand sie und kuschelte sich noch näher an ihn.
»Kann es sein, dass die uns etwas ins Essen mischen?«
»Bitte Herr, ich kann jetzt nicht nachdenken. Bitte fick mich zuerst, dann reden wir«, bat sie mit einer Stimme, die vor Erregung bebte. Alles, was sie noch fühlte, waren ihre harten Brustwarzen, die ihr Schauer der Lust durch den Körper sandten, wenn sie über Nardos Körper strichen. Und natürlich fühlte sie ihre hungrige heiße Scham. Doch als sie ihr Bein auf Nardo schob, stieß dieser sie weg: »Ich kann jetzt nicht schon wieder. Mir tut alles weh!«

Eine Mischung aus Enttäuschung und Wut erfasste Gianna. Doch es gelang ihr, sich zusammenzunehmen, und sie streichelte nur zärtlich Nardos Hodensack, Oberschenkel und Bauch, wobei sie den Penis sorgfältig vermied. Er sagte nichts mehr, doch sie konnte erkennen, dass seine Erektion bald vollständig war. Er war schließlich ein junger, kräftiger Mann. Und Gianna war eine gelehrige Kajira gewesen, die wusste, wie man einen Mann aufrichtet. Bald umfasste sie sein Zepter sanft mit ihren Lippen, übte mit ihrem Gaumen dosierten Druck auf die Eichel aus, und deute mit Stöhnlauten an, wie viel Lust sie empfand. Bald packte Nardo sie mit einem Knurren, warf sie auf den Rücken, drang in sie ein, krallte sich mit beiden Händen an ihren Brüsten fest und rammelte keuchend los.

Das Festkrallen an den Brüsten war eine Angewohnheit, die die Männer in der Schwerelosigkeit entwickelt hatten. Von den Kajiras wurde erwartet, dass sie die Hüften ihres Fickherrn mit den Beinen umfassten. Ihre Hände waren ja aus Sicherheitsgründen meistens entweder am Halsband befestigt, oder hinter dem Rücken zusammengebunden. Wenn der Herr sie nicht gerade küssen wollte, hatten sie sich nach hinten zu überstrecken, um ihre Brüste zu präsentieren. Diese wurden dann, wenn sie dafür groß genug waren, vom Herrn gepackt und zur Steuerung der Fickbewegungen benutzt. Es war schmerzhaft. In gewisser Hinsicht aber auch geil.

Jetzt krallte Nardo sich in den Brüsten nur fest. Gianna konnte ja ohnehin nicht wegschweben. Sie wurde vom viel größeren und schwereren Nardo auf den staubigen Boden gepresst und buchstäblich genagelt. Kurz bevor er kam, ließ er die rechte Brust los und griff dafür in die Öse des Halsbandes. Er zog so stark, dass Giannas Atem zu pfeifen begann. Gleichzeitig schlug ihr Herz wegen des kurz bevorstehenden Orgasmus so heftig, dass ihr Sauerstoffbedarf anstieg. Verzweifelt versuchte sie, ihren Herrn mit beiden Händen von sich wegzudrücken, und dieser ließ nun ihre linke Brust los, um ihr eine schallende Ohrfeige zu geben und dann ihre Hände wegzuschlagen. Kurz bevor ihre Sinne schwanden, bäumte sich Nardo auf, schrie und ließ das Halsband los. Giannas Lungen füllten sich mit der abgestandenen, stinkenden Luft des Ameisenbaus, die sie nun als herrlich frisch und belebend empfand. Gleichzeitig überrollte sie die Welle des Orgasmus, durch den vorhergehenden Sauerstoffmangel und die überstandene Todesangst vielleicht noch stärker, als sonst.

Eine Weile lagen die beiden schwer atmend nebeneinander.
»Draußen waren wir auch schon unnatürlich geil, angesichts der Lage«, meinte Nardo schließlich, »aber hier drinnen ist es grotesk!«
»Es muss etwas in der Luft sein«, antwortete Gianna, »das Essen ist ja dasselbe. Diese Kürbisfrüchte.«
»Aber warum tun sie das? Wir sind mit Sicherheit die ersten Menschen auf dieser Welt. Wieso sollten diese Biester ein Gas besitzen und einsetzen, das uns geil macht?
Gianna setzte sich und wischte den Schweiß aus dem Gesicht und von den schmerzenden Brüsten ab. Nardos Fingerabdrücke waren deutlich zu sehen. »Es muss ein Zufall sein. Eine Substanz, die eine andere oder gar keine Bedeutung hier hat, aber auf uns so wirkt.« Angeekelt strich sie mit dem Finger durch ihre stoppeligen Achselhöhlen und über ihre unrasierte Scham und Beine. Unter normalen Umständen wäre sie lieber gestorben, als sich so zu zeigen. Auch Nardo war natürlich haarig. Sein Bart ging praktisch nahtlos in zottiges Brusthaar und von dort über einen Streifen am Bauch in einen Urwald aus Schamhaar über. Das Haar war von Schweiß und Sex-Sekreten verklebt. Sie müsste sich ekeln. Doch sie wollte … ihn.

»Pheromone!«, sagte er plötzlich.

»Das könnte sein. Auch auf der Erde benutzen Insekten unter anderem Pheromone zur Kommunikation. Und das würde auch erklären, wieso die Wirkung hier drinnen so viel stärker ist, als draußen.«

Gianna grub in den Erinnerungen, die sie bisher noch verdrängt hatte, den Erinnerungen des ›Volkes‹, die beim Kontakt mit der Biologin auf sie übergesprungen waren. Sie wusste, was die Ameisen bei menschlichem Sex empfanden! Doch sie sagte bloß: »Und umgekehrt hat auch unser Orgasmus zufällig eine Wirkung auf die Ameisen, sieh nur!«
Tatsächlich: Die Wächterameise lag flach mit zuckenden Gliedern und Kiefern auf dem Boden vor dem Eingang ihrer Kammer. Draußen konnte man weitere Ameisen in derselben Lage sehen. Nach ein- oder zwei Minuten rappelten die Wesen sich wieder hoch. Kurze Zeit später wurde die übliche Bezahlung gebracht: Kürbisfrüchte und Wasser.
Während sie aßen und tranken, sprachen die Gefangenen zunächst nicht viel. Dann meine Nardo: »Wenn die Biester so geschwächt da liegen, könnten wir vielleicht fliehen. Wir können über sie hinwegsteigen und zum Ausgang laufen.«
»Ja!« Hoffnung durchströmte Gianna, doch nach kurzem Nachdenken zweifelte sie: »Und dann? Wo sollen wir hin?«
»Ivan ist noch da. Wir müssen nur irgendwohin kommen, wo er uns sehen und abholen kann, ohne von den Ameisen überrannt zu werden.«

Er verstummte abrupt und umschlang seine Knie mit den Armen. Gianna wusste, woran er dachte: an dasselbe, wie sie selbst. Die Landung. Wie Roger arrogant kaum hundert Meter vom Bau entfernt landete, und befahl, eine Barriere zu errichten. Wie die Ameisen mit unglaublicher Geschwindigkeit aus dem Bau herausgestürmt waren, noch bevor die Luke ganz offen war. Wie die Ersten unter Rogers und Robs Handstrahlern niedergemäht wurden, aber die anderen unbeeindruckt weiter rasten. Roger hatte Notstart befohlen, aber die Triebwerke brauchten einige Sekunden, um auf volle Leistung zu kommen. Zu lange, denn die ersten Ameisen waren schon da gewesen. Der Aufprall dieser Insektenwelle war so heftig, dass das Shuttle umstürzte. Die Triebwerke verbrannten viele der Wesen, bevor der Computer sie automatisch abschaltete, als er die falsche Lage der Fähre erkannte. Damit war das Schicksal der Mannschaft besiegelt. Die Kiefer der Ameisen waren stark genug, um die halb geöffnete Schleusentür zu packen und aus der Verankerung zu reißen. Als eines der Ungeheuer sich dann ins Boot zwängte, öffneten die Menschen in Panik den Notausstieg auf der anderen Seite und versuchten zu fliehen. Roger und Rob schossen noch einige Male mit ihren Strahlern, aber ohne erkennbare Wirkung. Am Ende waren das Shuttle und seine Besatzung gleichermaßen zerfetzt gewesen, und Gianna, Nardo und Rob waren Gefangene der Ameisen. Sie hatten sich im hintersten, noch intakten Teil des Shuttles zusammengedrängt und entsetzt auf die Ameise gestarrt, die ihnen mit schnappenden Kiefern immer näherkam, als diese plötzlich stehen blieb. Der Blutrausch war ebenso schnell vorbei, wie er begonnen hatte. Fast zivilisiert hatten die Ameisen ihre drei Gefangenen dann zum Bau geleitet. Und jetzt waren sie im Inneren des Baus.

Gianna versuchte, sich die Topographie in Erinnerung zu rufen. Westlich des Baus, auf der dem Fluss abgewandten Seite, in vielleicht einem Kilometer Entfernung, gab es einen kahlen, unbewachsenen Hügel. Wenn sie diesen erreichen können, wären sie auch aus großer Höhe erkennbar. Und Ivan und Leena würden mit Sicherheit am Teleskop sitzen.
»Stimmt, Ivan und Leena müssten uns finden«, stimmte sie schließlich zu. Und dann, mit zunehmendem Eifer: »Wir müssen sofort nach dem Ficken aufspringen und hinaus, solange die Biester alle paralysiert sind!«


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